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Ökologie • Spiritualität • Regionalismus
Hauptseite
1. Einleitung
2. Die Geschichte der Umweltbewegung in Deutschland
3. Die gegenwärtige Umweltbewegung in den USA
4. Die Entstehung und Entwicklung des Bioregionalismus in den USA
5. Das Weltbild des Bioregionalismus
6. Bioregionalistiche Wirtschaftsmodelle
7. Bioregionalistische Spiritualität
8. Bioregionalistisches Kriegertum
9. Bioregionalismus in Deutschland?
10. Ausklang
11. Verwendete Literatur
2. Die Geschichte der Umweltbewegung in Deutschland

Diesem Horrorszenarium entgegen zu wirken hat sich die sogenannte Umweltbewegung auf die Fahnen geschrieben. Bei dieser Bewegung einen Anfangspunkt in der Geschichte auszumachen fällt sehr schwer. Schon im Mittelalter hat es in Deutschland vereinzelt Reaktionen auf und Widerstand gegen Naturübernutzung gegeben. Doch erst mit der einsetzenden Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Grad der Naturausbeutung flächendeckend in einem so hohen Maße gesteigert, dass Umweltverschmutzung ein alltäglich erfahrbares Problem wurde, dem sich die Menschen im Laufe der Jahrzehnte immer weniger entziehen konnten. Erst unter diesen Bedingungen entstand im ausgehenden 19. Jahrhundert ein kontinuierliches natur- und landschaftsschützerisches Engagement.

Der erste breit organisierte Versuch in Deutschland, der durch die massive Industrialisierung verursachten Naturzerstörung Einhalt zu gebieten, war die Heimatschutzbewegung. Wie an ihren Namen bereits zu erkennen ist, bezog sich die Kritik dieser Bewegung aber nicht ausschließlich auf die rasanten Veränderrungen in der Natur, sondern auf die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen des Industrialisierungsprozesses und war massiv geprägt von einer antimodernistischen Zivilisationskritik.

Als der Vater der Bewegung gilt der Berliner Musikprofessor Ernst Rudorff. Der bereits mit seinem im Jahre 1880 veröffentlichten Aufsatz „Über das Verhältnis des modernen Lebens zur Natur“ und seinem 1901 publizierten Buch mit dem Titel „Heimatschutz“ auf sich aufmerksam gemacht hatte.

Auf Initiative Rudorffs kam es 1904 zur Gründung des »Bundes Heimatschutz«, dessen Satzung auf ein weites Betätigungsfeld verweist. Konkrete Arbeitsfelder des »Bundes Heimatschutz« waren neben dem Natur- und Landschaftsschutz vor allem auch die Denkmalpflege sowie die Kritik der modernen Architektur. In allen Arbeitsbereichen stand die Ästhetik im Mittelpunkt seiner öffentlichen Kritik, der Kampf gegen Reklameschilder und Aussichtstürme in landschaftlich reizvollen Gebieten hatte einen hohen Stellenwert. Naturschützerische Programme, die ökologische Zusammenhänge explizit in den Mittelpunkt stellten, gab es nur wenige, was teilweise aber auch am damaligen Entwicklungsstand der wissenschaftlichen Ökologie liegen mag. Nach anfänglichen Misserfolgen, wie etwa bei der gescheiterten Verhinderung eines Wasserkraftwerkes bei Laufenburg am Rhein, gab der »Bund Heimatschutz« seine radikal antimodernistische Linie mehr und mehr auf. Hatte man anfänglich noch großflächige Naturschutzgebiete gefordert, schloss man sich im Naturschutz nun der staatlichen Linie an, wie sie zu diesem Zeitpunkt vor allem in Preußen praktiziert wurde. Diese sah lediglich die Unterschutzstellung einzelner Naturdenkmäler vor, also etwa von besonderen Bäumen oder kleinen Landschaftsteilen.

Doch schon in der Zeit der Weimarer Republik gab der »Bund Heimatschutz« die Strategie eines passiven antizivilisatorischen Widerstands gegen die Folgen der Industrialisierung auf. Die Heimatschützer rangen sich zu der Einsicht durch, dass sie mit einer rein bewahrenden Verhinderungsstrategie nicht weiter kommen würden. Da die organische Eingebundenheit der Menschen in das Naturganze kaum noch vorhanden war, sahen sie sich genötigt, zu Mitgestaltern des industriellen Fortschritts zu werden. Das bedeutete in der Praxis, das man z.B. nicht mehr den Bau einer Fabrik in einem landschaftlich schönen und ökologisch wertvollen Gebiet zu verhindern trachtete, sondern sich darum bemühte auf eine schonende Einpassung neuer Industriebauten in die umgebender Landschaft zu nehmen. Die Heimatschutzbewegung war somit schon nach wenigen Jahrzehnten zahnlos geworden.

Eine weitere in Ansätzen ökologisch ausgerichtete Bewegung in Deutschland war die Lebensreformbewegung. Ebenso wie die Heimatschutzbewegung entstand diese im wilhelminischen Kaiserreich und bestand bis in die Anfänge des Dritten Reichs hinein, auch sie rekrutierte sich vor allem aus dem Bürgertum. Was sie aber von der erst genannten unterschied, war die Art ihres Engagements. Während die Heimatschützer ihr „Zurück zur Natur“ lediglich ideologisch verstanden, zogen die Lebensreformer auch weitgehende persönliche Konsequenzen daraus. Man wollte nicht warten, bis sich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse verbesserten, nein: man wollte vielmehr lebendiges Vorbild für eine neue Gesellschaft sein. Sichtbarster Ausdruck dafür war die Gründung von Stadtrand- und Landsiedlungen. Dort boten sich nach Meinung der Lebensreformer die besten Möglichkeiten, eine naturgemäße Lebensweise zu entwickeln. Darunter verstanden sie in erster Linie Vegetarismus, Naturheilkunde, Freikörperkultur, Naturspiritualität, Selbstversorgung und Gemeinschaftseigentum. Das politische Spektrum reichte von der anarchistischen Kommune Monte Veritá bis hin zur völkischen Siedlung Donnershag, wobei die völkische Strömung überwog.

Im Aufstieg des Nationalsozialismus knüpften viele Freunde und Verfechter des Natur- und Heimatschutzgedankens ihre Hoffnungen an eine Erfüllung ihrer Forderungen und Wünsche. Tatsächlich erlangten mit dem sogenannten Heimatschutzgesetz vom Januar 1934 und vor allem dem Reichsnaturschutzgesetz vom Juni 1935 viele ihrer lang erhobenen Forderungen Gesetzesrang. Doch die hinter den Gesetzen stehende Realität sah anders aus. Schon ab 1934 ließ die Reichsregierung mittels des neu geschaffenen Reichsarbeitsdienst im großen Stil Landeskulturarbeiten wie Deichbau, Hochwasserschutz, Entwässerungsmaßnahmen und Flurbereinigungen durchführen. Die Naturschutzgestezgebung wurde nur im geringen Umfang umgesetzt, landwirtschaftliche "Erzeugungsschlachten" und Kriegsvorbereitung hatten Vorrang. Naturzerstörung und Industrialisierung nahmen ein vorher nicht gekanntes Ausmaß an.

Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Zerschlagung des Dritten Reiches blieb während der Phase des Wiederaufbaus und der Zeit des Wirtschaftswunders der Stellenwert von Naturschutz und ökologischem Gedankengut äußerst gering. Dennoch gründete sich schon im Jahre 1960 der erste Verband, der einen ökologischen Ansatz vertrat: Der völkisch geprägte und noch bis heute existierende »Weltbund zum Schutze des Lebens« (kurz: WSL).

Erst zu Beginn der 1970er Jahre wurde die Gefährdung der globalen Ökosysteme durch den weltweiten Siegeszug der technokratisch-industrialistischen Systeme (im Westen  unter kapitalistischen, im Osten unter kommunistischen Vorzeichen) zum gesamtgesellschaftlich betrachteten und diskutierten Politikfeld.

In den siebziger Jahren beginnen nun auch verstärkt Gruppierungen und Einzelpersonen aus dem linken politischen Spektrum sich eingehend mit dem Themenkomplex Natur- und Umweltschutz auseinander zu setzen. Bis dahin hatte man dieses Gedankenbild, meist aus einer fortschrittsoptimistischen marxistischen Position heraus, als kleinbürgerlich, reaktionär oder gar faschistoid abgelehnt. Lediglich in dem bereits 1895 gegründeten SPD-nahen Arbeiterwandervereinigung  »Die Naturfreunde« und einigen Ökoanarchisten in der Zeit der Weimarer Republik wie Paul Robien, Willy Ackermann oder Gusto Gräser ließen sich bisher ansatzweise ökologische Traditionen in der deutschen Linken finden.

Bei dem neuartigen ökologischen Interesse der Nachkriegslinken in Deutschland dürfte – zumindest am Anfang – wohl überwiegend strategisches Kalkül denn innere Überzeugung Ausschlag gebend gewesen sein. Die kommunistische Idee hatte durch den "real existierenden Sozialismus" in der Sowjetunion und der ihr angeschlossenen Vasallenstaaten gehörig an Anziehungskraft verloren. Nun glaubte man in der Umweltschutzbewegung ein neues Agitationsfeld gefunden zu haben. Neben den bereits bestehenden völkischen und wertkonservativen Umweltgruppen schießen in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre nun plötzlich linke Umweltgruppen wie Pilze aus dem Boden.

In den Jahren 1979 und 1980 kommt es zur Gründung der Partei »Die Grünen«. Innerhalb dieser neuen politischen Kraft setzt sich in kürzester Zeit der linke (sogenannte ökosozialistische) Flügel durch und besetzt die wichtigsten Schlüsselpolsitionen innerhalb der Partei. Der rechte Flügel, bestehend aus Herbert Gruhls »Grüne Aktion Zukunft« (GAZ), August Haußleitners »Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher« sowie zahlreichen regional organisierten »Grünen Listen«, hat das Nachsehen. Durch diesen Coup gelang es der Linken das Themenfeld Ökologie und Umweltschutz nachhaltig zu besetzen und dafür zu sorgen, dass es in der Öffentlichkeit bis heute mit der politischen Linken assoziiert wird.

Im Verlauf der 1990er Jahre hat die Umweltschutzbewegung in Deutschland nach und nach an Bedeutung verloren. Im Rahmen des neoliberalen Standortdiskurses wurde der Umweltschutz selbst bei den »Grünen« zu einem eher randständigen Thema degradiert. Verstärkt hört man nun die verlogene Phrase von der "Aussöhnung von Ökonomie und Ökologie". Kapitalismus und Umweltschutz sollen jetzt in Form einer "nachhaltigen Wirtschaftsweise" bzw. einer "ökologisch-sozialen Marktwirtschaft" miteinander versöhnt werden.

Es ist zum Verzweifeln. Die bundesdeutsche Umweltbewegung, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen wie z.B. den »Unabhängigen Ökologen Deutschlands«, setzt heute in großen Teilen auf klassische Lobbypolitik (neudeutsch: Campaigning), auf Kollaboration mit der Wirtschaft. Sie ist auf vielfältige Weise mit staatlichen Stellen und mit allen im Bundestag vertretenden Parteien verfilzt. Sie hat sich gegen die weitgehende Beschneidung ihrer Verfahrenbeteiligungsrechte kaum gewehrt, statt dessen macht sie sich für vemeintlich ergebnisoffene Aushandlungsprozesse mit Kommunen und regionalen Wirtschaftsverbänden im Rahmen der Agenda 21 stark obwohl sie sich damit auf ein Papier bezieht, in dem ausdrücklich Pro-Atom und Pro-Gentechnik-Positionen formuliert werden. Zu der erschreckenden Tatsache, dass in Deutschland tagtäglich mehr als 100 Hektar der uns verbliebenen Grünflachen zubetoniert oder asphaltiert werden, hat die deutsche Umweltschutzbewegung nur ein müdes Schulterzucken übrig. Wen wundert’s dann noch, dass sich unsere Jugend für den Umweltschutzgedanken nicht mehr erwärmen kann? ⇒⇒⇒

 

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Fidus: Zurück zur Natur – Menschenpaar (1910)